G R E N Z E N
I. „Die
Grenzen des menschlichen Daseins“
Ein Stacheldraht, oder eine Mauer; irgendein Hindernis, das unüberwindbar scheint. Auf der einen Seite der Junge, auf der anderen das Mädchen; sie sind ineinander verliebt. Ein
Soldat, ein Wächter, erscheint in einer farbigen
Phantasieuniform mit vielen goldenen Schnüren und
einer geflügelten Mütze. Er reißt die Grenzen
nieder, mit einer Axt oder etwas anderem, je
nachdem, wie die Grenze beschaffen ist. Der Junge und das Mädchen laufen aufeinander zu und fallen einander in die Arme. Endlich
sind sie vereint und glücklich. Der
Grenzposten schaut mit wissendem, schmerzlichen
Lächeln zu ihnen, und weit hinten erblüht ein großes
Feuer – wie eine schöne, unbekannte Blume.
II.
"D A R
K R O O M"
In einem dunkeln,
kleinen Gefängnis, vielleicht einem Karzer in
irgendeiner prähistorischen Schule, kauert ein Junge
am Boden. Der einzige, dünne Lichtstrahl, der
einfällt, trifft seine wilden, liebenden Augen. In die Wände versucht
er mit seinen Fingernägeln Blumen zu ritzen. In sich
selber ist er nackt und will aus sich ausbrechen. Er
will die Mauern niederreißen und hämmert mit seinen
kleinen, zerschundenen Fäusten dagegen. Da plötzlich bersten
die Mauern. Um ihn herum wirbeln tausende von
Blumen, die sind wie leuchtende Gedanken und Gefühle
und Ideen. Dann reißt ihn ein
dumpfes Grollen zurück in die Wirklichkeit. Vor ihm
steht der Schuldiener, der ihm die Tür aufgemacht
hat. Dahinter sind keine Blumen...
III.
„Ich habe erkannt,
daß es Grenzen gibt,
und ich habe sie
überwunden.“
Ein junger Prinz,
vielleicht auch ein Student, lehnt sich mit der Hand
an einer Wand an. „Ich bin über mich selbst
hinausgewachsen, erfuhr mich selbst noch mehr, und
es hört nie auf.“
In der Ferne stehen
die uralten Wolkenkratzer von Metropolis,
zerfressene Stahlgerippe, um die herum sich ein
Netzwerk von Rosen höher und höher rankt. Wer kümmert sich um
sie?
IV.
Ein Berg von Papier,
der wächst und wächst. Alles ist beschrieben,
die Buchstaben sind geführt in seiner Handschrift. V.
Die Sterne am Himmel,
unendlich weit voneinander entfernt, unendlich weit
sich fortsetzend bis in alle Ewigkeit. Am Himmel stehen auch
Blumen.
© Daniel Emerson Aldridge
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