Viele
Kinder werden oft tagtäglich beim Ladendiebstahl
erwischt. Wer sind diese Jungen und Mädchen bloß,
die sich auf Kosten anderer bereichern? Aus
welchen sozialen Kreisen kommen sie? Die Antwort
mag manche überraschen: Sie sind unvorstellbar
anständige Pazifisten, Anarchisten oder
Buddhisten, antifeudalistische Optimisten – oder
stilistische Idealisten.
Manche der
blutjungen Kleptoman_innen (11- bis 17jährig)
sind extremistische Humanisten, marxistische
Theologen, germanistische Leninisten oder
einfach realistische Humoristen. Es gibt sogar
Kinder und Jugendliche unter den ungebändigt
Stehllustigen, die jüdische Astrologen,
strategische Chronosoziologen, energische Römer,
dänische Dramaturgen oder sympathische
Luxemburger sind.
Selbst
altfränkische Heiden und komische
Japano-Amerikaner gehören zur Schar der kleinen
Kaufhausdiebe. Sie verstehen sich als
antiimperialistisch, antifaschistisch,
dezentralistisch, inflationistisch und
propagieren – unwiderlegbar – die spirituellen
Überschwemmungsgebiete einer sich ausweitenden
Front gegen die materialistische,
antibolschewistische, nationalistische
Sozialdemokratie.
Diese
rotzfrechen Gören und Bürschchen werden kaum vom
Verkaufspersonal oder den Detektiven bei ihrer
ordnungswidrigen, erbarmungslosen Subversion
gefaßt. Das Über-Ich (jene Kraft der
Selbstkontrolle, für welche doch in den
Rundfunk- und Fernsehprogrammen so äußerst
geschickt geworben wird) ist von den Teenagern
anstandshalber erkannt und als nicht
authentischer Teil der Kinderpsyche
dementsprechend sofort neutralisiert worden.
In ihrem
verständlichen Entsetzen lassen sich viele
Eltern zu sinnlosen, masochistischen Orgien
hinreißen, um sich quasi symbolisch zu geißeln
für die unglaubliche Brutalität ihrer Kinder,
welche währenddessen ein kaltes Buffet und eine
gute Campingausrüstung bestellen, dann mit
Champagner anstoßen und ihre excellenten
Informationsquellen publizieren, damit auch all
die anderen vielen enfants terribles dieses
bunten Globus nun noch viel mehr Energie für
ihre neue Lebenspraxis gewinnen können, ohne an
das Risiko denken zu müssen.
In ihrem
schmeichelhaften Antirealismus sind sie doch
wissendurstige, besinnungslose, kleine Racker,
Vorreiter einer neuen antimaterialistischen
Gesellschaft. Viele Eltern sind wahrhaft
fassungslos über die Diebstähle ihrer
Sprößlinge.
Bevor die
adoleszenten Knaben und Mädchen die
Untersuchungsergebnisse sowie die
Aufstiegsmöglichkeiten dieser immer stärker
werdenden Geisteswitterungseinflüsse ihrer
extrem charmanten Dialektik auf virtuellen
Kongressen noch weiter elaborieren und ihre
Vermögenskriminalität auf Kosten der
Kriminalitätsstatistik auf Buchgemeinschaften,
Großhandelsunternehmen, Gemischtwarengeschäfte,
Versicherungsagenturen und Fernsehanstalten
ausweiten, sollten die Eltern doch noch einmal
versuchen, in größter Ruhe mit ihren Kindern
darüber zu reden. Sonst könnten die Eltern
aufgrund ihrer schwachen Natur noch dazu
verführt werden, sich im unbedachten Moment von
ihnen zu befreien.