DAS INSTITUT FÜR KINKY THEORYSYMPOSION
DER
BACCHANTEN Ein fiktiver Diskurs als Parallel-, Kreuz- und Querlinie zur Queer Theory
1. Einleitung
2. Symposion der Bacchanten 3
TINTIN QUARANTINIO: "Die Postmoderne begann und verging - es folgte das Informationszeitalter, inzwischen leben wir längst im Hyperinformativismus. Ein ZUVIEL an Information ist jedoch aus der Warte des Hyperinformativismus gar nicht möglich. Die Kinky Theory findet ihre ersten Ansätze bei Sokrates 4, Buddha 5 und Jesus 6. Später fährt sie fort mit Nietzsche 7, Foucault, ebenso Baudrillard 8, dann Adorno 9. Sie versteht sich in diesen Traditionen als Opposition zum Weltbild reeller Erfahrungswerte, wie es eingrenzend definiert wird vom Positivismus. Zwischen unserem Idealismus des intuitiven Denkens und unserer materiellen Sensationslust eine Dichotomie postulieren zu wollen, würde allerdings nur auf historisch bedingten Vorurteilen basieren und keineswegs das Resultat einer philosophischen Analyse darstellen. Die Repräsentanten der Kinky Theory stilisieren sich in Gestalt immenser sozio-emotionaler und emotio-intellektueller Respektierlichkeit, so dass ihre Gedankenwelten und -laufbahnen als Modelle dienen können für diejenigen, welche sich der Arroganz des modernen wissenschaftlichen Ansatzes vehement entgegenstellen, dass Denken und Fühlen getrennt voneinander vorstellbar seien. Wie Sokrates
erklärt, besteht die erste Weisheit des Menschen nicht darin, die Sterne zu erforschen oder Staub und Luft zu untersuchen, sondern darin, sich selbst zu erkennen und zu verstehen, was es bedeutet, ein Mensch zu sein.“
BÜNÉ HORGANG: "Animalisch und überirdisch - beides ist der Mensch in einem und doch keins von beidem, und er sollte sich nicht länger
Aufzeichnungen des Grand Prix Eurovision de la
Chanson ansehen müssen. Wir brauchen einen neuen Loriot, mehr als alles andere, auch einen neuen Arno Schmidt.
10 Und wenn wir schon dabei sind ..."
LULU LAMETTA: „Ökonomische und politische Fragen
können nicht ausgeblendet werden aus den Diskursen Gender und Dekonstruktion, und die Pluralisierung der Lebensformen allein ist kein ausreichendes Kritikprojekt 11. Eine Finanztransaktionssteuer - nutzbar z.B. als Fundament eines globalen Sozialmechanismus im Sinne eines bedingungslosen Grundeinkommens (nach grundlegender Neubewertung unseres Verständnisses von Arbeit, d.h. nach Transzendierung des
spätkapitalistischen Funktionalismus in den Bereich der individuellen Wertschaffung) - kann auch nur ein erster Schritt zur Kulturgesellschaft sein. Abschaffung des Geldes und Auflösung der Nationalgrenzen
sind langfristigere Ziele.“
TINTIN QUARANTINIO: "Die Kultivierung eines einwandfreien Charakters ist eine wichtigere Aufgabe für das Bildungswesen als Kinder auf die Funktion zu konditionieren, Geld zu erwirtschaften oder die Technologien voranzutreiben. Das akkumulierte Wissen der Menschheit in seiner Gesamtheit ist eine nicht länger konkrete Größe für das Individuum - nur noch fragmentarische Aspekte von Wissenszweigen sind erfassbar für das Bewusstsein. Eine Essenz
des Hyperinformativismus liegt darin, den Leuten beizubringen, wofür sie sich interessieren, und warum. Mit anderen
Worten: Was Vernunft ist, ist nicht interessant, stattdessen wollen sie wissen, wie sie sich selbst kennenlernen können und was sie alles sein können." 12
BÜNÉ HORGANG: "Man kann ihnen das sicherlich auch durch härtere Gangarten einbläuen. Kinder mögen es hart, solange es nicht bitterer wird als sie auch wirklich wollen." 13
LULU LAMETTA: „Warum Kinky Theory und nicht Queer Theory? Suchen wir nach Übersetzungen für „Queer“, so umfasst das Spektrum u.a. „wunderlich“, „kauzig“, „verdächtig“, „zweifelhaft“, „Schwuchtel“, „Tunte“ oder „Schwulibert“, also ein negativ konnotiertes Abbild der pervertierten Maskulinität. „Kinky“ hingegen lässt sich mit „pervers“, „abartig“, „verrückt“, „schrullig“, „sexy“, „abnormal“, „verkorkst“, „kraus“, „abnorm“, „verdreht“ oder „spleenig“ traduiren. Es fehlt
die Zuordnung zum Maskulinen, das Adjektiv
ist geschlechtsneutral. Noch perfekter wäre allerdings ein Schimpfwort, das beide Geschlechter gleichermaßen diskriminiert und mit den übrigen o.g. Attributen versieht.“
TINTIN QUARANTINIO: "Die Kinky Theory
re-edifiziert die Bündelung der diskursiven Kräfte gegen die Instanzen des Raffens und des Verschleuderns
14, gegen Materie,
Geschwindigkeit sowie den Lärm
15, des Weiteren
gegen die elaborierte Rhetorik
sozialdarwinistischer Manipulation durch die Advokaten des neoliberalistischen Status Quo and finally gegen die Dämonisierung und Kriminalisierung von derangiert empfindenden Liebenden 16.“
LULU LAMETTA: "Die Kinky Theory
bekennt sich zum stillschweigenden Einvernehmen zwischen Bottom und Top, zwischen Alpha und Beta, zwischen
Verehrer und Verehrtem, zwischen Alt und Jung. Die interessantesten Gebiete der Sexualität liegen zwischen den Definitionen. Die gesamte
Industrie ist ausbeuterisch - nicht nur die Pornoindustrie. Unsere Repräsentanten favorisieren die femininen Aspekte der Sexualität - unsere Repräsentanten favorisieren die maskulinen Aspekte der Sexualität. Beides aber ist dem Miteinander nach-, nicht vorgeschaltet.
17 Unsere Repräsentanten verachten die Scheinheiligkeit der Zensur. Zwischen der Sexualität des erwachsenen Menschen und all seinen zufälligen Erfahrungen in seiner Kindheit besteht ein immanenter Zusammenhang.
18 Zwischen Kunst und Pornographie gibt es keine Trennlinie. Das Jugendschutzalter („the age of consent“ – im Englischen eine schönere Formulierung) muss weltweit auf mindestens vierzehn
Jahre heruntergesetzt werden. Betrachten wir die komplizierte
Situation, könnte eine Diskussion z.B. dort
ansetzen, den Bereich „Inter-Age Sexuality“
aufzugliedern in verschiedene Formen, von denen
Varianten wie „Hebephilie“ oder „Ephebophilie“
keineswegs unter Strafe gestellt sein sollten.“ 19
BÜNÉ HORGANG: "Zwischen Ernst und Humor gibt es keine Trennlinie. Manch unflexibler Diskutant findet dies unseriös - doch ist unser Verhalten in Wirklichkeit ebenso seriös wie das Tragen eines Octoupées, welches Ihnen freundlich mit einem seiner Fangarme zuwinkt - le
dernier cri ..."
TINTIN QUARANTINIO: "Die Kinky Theory
sieht sich als unorthodoxer Gegner der Heuchelei, ein Maß an Rationalität mit dem Modus eines körperlichen, geistigen und
seelischen Fanatismus verbindend. Die Kinky Theory ist daher eher die Schule eines Denkfühlvorgangs
20 als die des wissenschaftlichen Raisonnierens. Die Maxime der Kinky Theory ist die der heißen und innigen - essentiell Gebetsmaterie & Aufstiegsenergie (im Benn'schen Sinne) ausgelegten - Reformation samt Dekonstruktion des Positivismus und der Natur- und Wirtschaftswissenschaften."
TURMALIN WINTERFELDT: "Das Ambiente auch unseres Sprachstils ist das von Spitzenvorhängen an den Wänden und dunkelblauen Seidentischdecken auf kleinen runden Tischen.
Das Flair des Stils ist das von lilafarbenem Samtbehang an der Fenster-Innenseite sowie eines umgedrehten Kronleuchters, der mit weißen schmalen Krepppapierstreifen behängt ist. Dazu der Charme von Weintrauben und Orangen aus Plastik, darin hineingesteckt elektrische Lichterketten. Am Garderobenständer hängt der künstliche Kopf eines Menschen, und eine Kaskade an der Innenwand befördert plätscherndes Wasser herunter in ein kleines Bächlein, das wieder in der Wand verschwindet, zum Klang des Dschungels und der Paradiesvögel ..." 21
BÜNÉ HORGANG: "Wittgenstein - ich sage es noch
einmal: Wittgenstein (!) - ... "
TINTIN QUARANTINIO: "Den nach Freiheit strebenden Individuen, die sich aus dem Kontext des sie versklavenden Neoliberalismus lösen wollen, bieten sich drei Formen der Freiheit an: 1) eine absolute Freiheit im Innern - incl. Publikumsferne und Unverständlichkeit im reellen Miteinander - , die negative Freiheit zwischen den Definitionen, jedoch ständig angegriffen durch Versuche ratloser Mitternachtsfeuilletonisten, die das Individuum begrifflich einordnen wollen. Die Freiheit, sich nicht ständig sich erklären zu müssen, damit vielleicht einer käme und dir eine Funktion im System zuordnen könne oder dir den Briefkasten anzünde. Eine subjektive Traumwelt, die bei Adorno gleichzeitige objektive Unfreiheit repräsentiert. 2) die Traumwelt des Spielerischen. Die Freiheit, nicht etwa durch eine Verschwörung finsterer Kräfte in der Straßenbahn anderen dir bös wollenden Subjekten ausgesetzt zu sein, sondern durch Zauberspiel der Elemente mit Fremden bunt zusammengewürfelt worden zu sein, um ihnen unbekümmert und unbefangen begegnen zu können ... Die Freiheit in der Rückkehr zu den Situationen, in denen sich Wahrnehmung verändert. Zuviel Selbstreflexion überfordert - der Mensch ist auch nicht als Erwachsener zur Welt gekommen. Er schafft und erkennt seine Umgebung im spielerischen Umgang mit der selbigen. 22 3) intuitiv-spekulative Kultürlichkeit im Pomp der drei Spielwiesen Bildung, Kunst und Kultur (die nur eine kleine Schnittmenge bilden) - als Erschaffung kontra-reeller Wirklichkeiten gegen die bösartigen Verdummungselemente, mit denen das „Establishment“ ein Ventil für Freiheits- und Sinnverlust liefert. Ergo: Der Wandervogel ist eine ebenso viable Jugendbewegung wie die Raving Society, die Popper oder die Frisbeefreestyler. "Emotionale Kompetenz, soziale Intelligenz 23 sind zwei Schlüsselbegriffe. Wie können wir uns miteinander begeistern und uns mitreißen und zu wahrhaft intrinsisch motivierten Höchstleistungen bringen? Der Diskurs transzendiert alle
Schichtgrenzen, erfasst alle Milieus. Es gibt keine
Zuschauer mehr, jeder ist sich seines
Stellenwertes als Miterschaffer des kollektiven Gesamtkunstwerks bewusst
24. Seine Disziplin besteht in der Eigenverantwortung seiner Intelligenz im kreativen Diskurs. Sensibilität ist gefragt: Wie
„entwickeln“ wir die Kultur, wie besprechen wir die Details, wie hören und reagieren wir aufeinander? Wie kann unser Fundamentalismus eine Entsprechung finden im nicht
fassbaren Verwirrspiel dieser absurden
Leistungsdruck-Gesellschaft, das die Seele zermürbt? Gibt es die Möglichkeit, die wundervollen Ideale und hehren Ziele im harten Alltagsdasein einzusetzen, ohne dass dich einer für verrückt erklärt?"
BÜNÉ HORGANG: "Charles Dickens ist der
wichtigste Schriftststeller unserer Zeit. Kein
anderer schildert
unser Elend des Reichtunms und unseren Glanz der Armut wie er ..."
TINTIN QUARANTINIO: "WORD CREATION MOVEMENT heißt ein Nebenzweig der Kinky Theory, der sich um die Bildung neuer Wörter
dreht. Die erste Maßnahme besteht
in der Transformation der lateinischen oder altgriechischen Konfixe, also
z.B. Adjektive, die mit -logisch enden, stattdessen mit -sophisch enden zu lassen. In gleicher Weise können wir mit
Präfixen verfahren (omni- statt sub- etc.). Hier erschließen sich innovative Schlüsselwerte, es öffnen sich neue Sinnhorizonte
des Wortstammes, um die im bisherigen adjektivischen Kontext reduzierten Erfahrungen zu befreien.“
BÜNÉ HORGANG: "Ein neues Wort ist wie eine neue
Liebe, und eine neue Liebe ist wie ..."
LULU LAMETTA: „Das ist nur der Anfang. In die Lexika diskriminierender Begriffe müsste z.B. die gesamte lateinische Sprachwelt und damit der Großteil wissenschaftlicher Termini aufgenommen werden, da zum Einen in ihrer Verwendung eine eigene Form von Diskriminierung zum Ausdruck kommt, zum anderen sie auf den Imperialismus zurückspiegeln, das männliche Herrschaftsprinzip. Ein anderer Punkt ist die Verwendung von Sprache in ihrer Funktion als kulturellem Mentalitätsstabilisator. Weltsprachen wie Englisch sind Träger des Massenkulturimperialismus, durch deren Ausbreitung, angeblich im Namen einer „völkerverbindenden“ Globalisierung, ständig Sprachen und damit Kultursphären ausgelöscht werden. Unserem Ideal zu Folge müsste der Ansatz
neuer Worte zur Sprache einer
omni-relationalen und anti-degradierenden
Diskursivität führen. Nur dass menschliche Kommunikation immer unvollkommen sein wird, zum Glück.“
TINTIN QUARANTINIO: "Es sind die Parallelen zwischen
Glauben und Philosophie unübersehbar (beidem
mangelt es an empirischem Fundament und
dramaturgischer Effizienz). Nicht länger jedoch geht
es um Theismen irgendwelcher Art, sondern um eine
tatsächliche Verinnerlichung Wittgensteins. Sein Tractatus
Logicus-Philosophicus, der vom Leser eine
Rationalität verlangt, die weit über
das Maß konventionsbehafteter Alltagswelten
hinausreicht, weckt per intuitivem Verstehen einen
Glauben, der alle Religionen transzendiert (dies
auch im Sinne von Marx, bei dem Religion nur noch
die Funktion des "notwendig falschen Bewußtseins"
darstellt). Eine Transformation unserer okzidentalen
wie orientalen Kulturen auf der Grundlage jener
wittgensteinschen, spirituellen Evolution steht
weiterhin unmittelbar bevor."
3.
Zusätzliches
Das Symposion der Kinky
Theory ist ein sich konstant wandelnder
Prozess - Fluidum wie symbolisches
Trinkgelage. Fachbezogene Beiträge zum Diskurs sind ausdrtücklich erwünscht.
EINSENDUNGEN UND WORTMELDUNGEN BITTEN WIR ZU RICHTEN AN: I N S T I T U T F Ü
R K I N K Y T H E O R Y
c / o D A N I E L E M E R S O N A L D R I D G E O T T O - B R A U N - S T R A S S E 82 1 0 2 4 9 B E R L I N
4. Literatur
5. Fußnoten
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Text, Tanz und Gesang : D A N I E L
E M E R S O N A L D R I D G E
e - m a i l
: w e b m a s t e r ( a t ) f r
i e d r i c h s h a i n e r s c h u l e . d e
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